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Weibliche Gründung – ganz normal oder total besonders?

Der Gründung von weiblichen Personen oder Frauen haftet häufig der Hauch des Besonderen an. Und dass sowohl im Negativen als auch im Positiven.

Einerseits werden weibliche Gründungen als in der Anzahl weniger und weniger erfolgreich beschrieben. Auf der anderen Seite werden Gründungen, die durch Frauen stattfinden und dann erfolgreich sind, besonders hervorgehoben und gefeiert.

Dass es besonders ist, dass Frauen gründen, zeigen auch die Vielzahl der Förderprogramme und Gründungsveranstaltungen, die sich speziell an diese Zielgruppe richtet. Hier in NRW sind das z. B. das Projekt „Women Entrepreneurs in Science“ an der Universität Wuppertal, das Projekt Face@RUB und die Initiative „Frauen unternehmen“.

Dass weibliche Gründungen weniger erfolgreich sein können und woran das liegen mag, darüber forscht auch die Wissenschaft:

Autor Robert D. Hinsrich eröffnet 2007 seinen Artikel im Journal „Emerald Backfiles“ mit der Feststellung, dass die Gründung für weibliche Personen durch folgende Faktoren erschwert wird:

  • Sie ist in einer von männlichen Personen dominierten Businesswelt
  • Sie hat wenige Vorbilder
  • Und ihr fehle es an Vertrauen in einigen Fähigkeiten, die es in der Businesswelt brauche

Diese Fähigkeiten seien laut einer einzelnen Unternehmerin, die der Autor zitiert: mangelnde Erfahrung und mangelnde Ausprägung von Fähigkeiten, die es für die Businesswelt brauche, wie Unabhängigkeit, Selbstvertrauen, Durchsetzungsvermögen und Antrieb. Auch in der Betrachtung externer Faktoren tun sich Lücken auf: ein Fehlen von Netzwerkkontakten, um empfohlen zu werden und Marktanteile erfolgreicher Unternehmen zu gewinnen.

Bei diesen Ausführungen könnte sich die geneigte Leserin jetzt niedergeschlagen fühlen und den Kopf in den Sand stecken wollen. Doch eine Meinung und eine Publikation kann nicht das ganze Bild zeichnen, wie es um weibliche Gründungen bestellt ist, denn es gibt auch andere Stimmen:

Eine Umfrage unter thüringischen Gründerinnen aus dem Jahr 2018 bestätigt zwar Teile der Aussagen von Hinsrich. So antworten 70% der 200 befragten Gründerinnen, dass sie nicht in Netzwerke eingebunden sind.

Doch andere Antworten widersprechen seiner pessimistischen These. So geben 73% der Gründerinnen an, dass für sie Unabhängigkeit, Freiheit, Flexibilität und Selbstbestimmung eine hohe Motivation waren zu gründen. 54% gaben an, dass es für sie sehr relevant war, unternehmerisch tätig zu sein, also einen Karriereweg abseits des Angestelltenverhältnisses zu begehen.

Da scheint sich in den zehn Jahren zwischen den beiden Veröffentlichungen doch etwas getan zu haben.

Grund dafür könnten sein, dass sich gerade im Bereich der Vorbilder einiges entwickelt hat. Durch die sozialen Medien ist es auch weiblichen Personen leichter möglich, sichtbar zu sein. Und es gibt Persönlichkeiten, die sich dafür einsetzen, diese Sichtbarkeit noch weiter zu erhöhen und zu verbreiten: Tijen Onaran. Und ihre Arbeit scheint Früchte zu tragen.

Auch die Möglichkeit der Vernetzung unter Gründerinnen wird durch die oben genannten Projekte wie Women Entrepreneurs in Science und Frauen unternehmen ausgebaut. Bei den Veranstaltungen treffen Interessierte nicht auf vornehmlich männliche Teilnehmende, sondern finden sich unter Ihresgleichen wieder. Ein großer Pluspunkt der Arbeit dieser ambitionierten Projekte!

Auch die Arbeit von Prof. Kerstin Ettl dürfte über lange Sicht etwas daran ändern, wie erfolgreich weibliche Personen gründen. Ihre Forschung, die sie bei einem Vortrag im Bluesquare der RUB 2019 präsentierte, zeigt, dass der Erfolg von weiblichen Gründungen auch deshalb so schlecht dargestellt wird, weil sie an den Maßstäben der vielen männlichen Gründungen gemessen werden. Da wird dann z. B. darauf geschaut, wie schnell eine Gründung finanziell erfolgreich wird und ob diese im Haupt- oder Nebenerwerb stattfindet.

Und genau an letztem Punkt wird deutlich, warum viele weibliche Personen hervorragende Gründerinnen sind und sein können: Gründungen im Nebenerwerb sind überdurchschnittlich häufig erfolgreich. Das belegt eine Studie, die im Auftrag des BMWi erarbeitet wurde.

Wir können also optimistisch sein! Frauen können Gründung, das zeigen die vielen Vorbilder. Die Intiativen, die sich der Förderung weiblicher Gründungen verschrieben haben, helfen die Dynamik weiter zu beschleunigen.

Und wenn das Gründerstipendium NRW, das auch viele weiblichen Gründerinnen zu Gute kommt bei ihren ersten Schritten in ihrer neuen Rolle, irgendwann mal umbenannt wird in Gründungsstipendium, dann steht dem Siegeszug der weiblichen Gründung nichts mehr im Wege.

 

Autorin: Judith Claassen, 19.04.2022